Treffen im Mai | VW Speed 3/96 |
Dort angekommen löhnen sie fünfzehn Mark pro Auto und schieben sich in langen Schlangen auf das Gelände an der Opelstraße(!)-falls man überhaupt noch unterkommt auf dem Mega-Parkplatz. Da hilft nur eines:Ganz früh dasein. Wenn gegen zehn Uhr Rush-hour ist, staut sich der Corso der Anreisenden locker bis auf die Autobahn. Irgendwann um eins ist dann sowieso alles dicht. Nicht nur der offizielle Meeting-Point bei Real und Unger, sondern das gesamte Industriegebiet.Da wird dann auch nicht mehr abkassiert.
Wer allerdings nur gekommen ist, um alte Freunde wiederzutreffen, neue Autos zu bestaunen oder einfach volle Käferluft einzusaugen, den stört das sowieso nicht. Stau vor den Freßbuden, Stau vor den Toilettenwagen. Ab drei löst sich das Ganze wieder auf, abends um sieben ist der Platz leer und keiner hätte eine Idee, was heute hier los war.
Jens Richter ist einer von denen, die wirklich was zu zeigen haben. Stolz öffnet er die Motorhaube seines 81er Mexiko-Käfers. Es ist ein Ritual, als ob er den Deckel einer Schatztruhe aufschließt. Was unter der Haube liegt,funkelt ebenso wie Goldstücke. Ein blankgeputzter Zweiliter-Motor vom Porsche 914. Jens Richter befindet sich mit seinem knallblauen Käfer in guter Gesellschaft: Rund 3000 Käfer kamen diesmal zum Maikäfertreffen nach Hannover.Mit Masse und Klasse bewiesen sie:Der Käfer gehört längst noch nicht zur aussterbenden Rasse. Er ist lebendiger und farbenfroher als je zuvor. Jens Richter konnte nur einen Beifahrer mit nach Hannover nehmen. Weil sein Käfer nur 4,5 Zentimeter Abstand zum Boden aufweist, mußte er die Rückbank ausbauen, um TÜV-tauglich zu bleiben. Das Auto ist das Hobby des 22jährigen Tapetendruckers. Jede Mark, die er übrig hat, steckt er in seinen Volkswagen - kein Einzelfall im Kreis der Gleichgesinnten. "Der Käfer ist das einfachste Auto, man kann so viel selbermachen", schwärmt er begeistert. Eer hat sich zu den anderen müden Boxerbesitzern auf den Boden gesetzt. Zusammen fachsimpeln sie, trinken Kaffee aus Thermoskannen oder essen kleine Snacks. Erschöpft sitzen Heiko und Dirk Isenbügel in ihrem 74er Käfer. Sein Lila haben sie dem Opel Corsa geklaut und mit einem gelben Flammenmuster aufgepeppt. "Der Käfer ist wie ein Virus. Ist man einmal infiziert, ist es vorbei mit anderen Autos", sagt der 33jährige schmunzelnd.
Der Käfer von Michael Tschirdewahn ist nur sechs Tage jünger als er. Beide Baujahr 69. Tunen kommt für Tschirdewahn nicht in Frage, er will seinen savannenbeigen Oldie im Urzustand lassen. So fühlt man sich sofort in die 60er Jahre versetzt, wenn man dieses Auto sieht. Das I-Tüpfelchen zu dieser Zeitreise ist der Koffer, den der Käfer per Gepäckträger auf seiner Motorhaube transportiert. "Der Koffer ist so alt wie das Auto, ich habe ihn bei meiner Oma aufgetan", sagt er lächelnd. Wenige Meter weiter legt der zwanzigjährige Markus Möller gerade seinen roten Schraubenzieher kurz beiseite. "Der Käfer ist ein tolles Auto. Er ist sehr lieb, günstig in der Versicherung, aber er trinkt ein bißchen viel und man muß immer einen Schraubenzieher in der Tasche haben", erzählt er. Dafür ist der Käfer echter Kult. Und wer schraubt nicht gern an einem Kultobjekt.
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